Interview mit Martin Brehm

„Es kommt auf den an, der drinsteckt“

Dieburg – Martin Brehm ist seit 2003 Orthopädietechnikermeister. Im Interview spricht er über seinen Beruf, Entwicklungen und die Bedeutung von Erfahrung.

Herr Brehm, fertigen Sie nur Beinprothesen an?
Wir sind im Sanitätshaus Klein in Dieburg auf Beinprothesen spezialisiert, stellen aber auch Armprothesen her. Einer Kundin habe ich eine Sport-Armprothese gemacht und sie kann wieder Hanteln stemmen, Klimmzüge machen und geht Kick-Boxen.

Welche Unterschiede gibt es zwischen Sportund Alltagsprothesen?
Erst mal geht es darum, dass der Schaft keine Schmerzen verursacht. Da das immer so sein soll, gibt es da erst mal keine Unterschiede. Eine Sportprothese zeichnet aus, dass sie ein anderes Knie und Fußgelenk hat. Die Laufprothese besteht aus einer c-förmigen Feder und hat keine Ferse.

Was ist der Vorteil einer Sportprothese?
Sie nimmt viel Energie auf und kann auch viel wieder abgeben. Außerdem ist sie sehr leicht: Zu einer Alltagsprothese mit computergesteuertem Knie, das viele Sensoren benötigt, und deshalb dreieinhalb Kilogramm wiegt, kann ein ganzes Kilo eingespart werden. Das spart eine Menge Energie. Außerdem nimmt die gebogene Feder Belastung vom Schaft weg. Den meisten Kunden macht das Laufen mit der Sportprothese Spaß, weil es sich leicht anfühlt. Sie bringt Freiheit, weil schon Sport wie Walken oder Wandern ohne sie nur beschwerlich geht.

Wie lange dauert der Entstehungsprozess?
Wir machen einen Gipsabdruck, dann einen durchsichtigen Probeschaft, der am Kunden angepasst werden kann. Bei Sportprothesen gibt es meistens eine etwa dreiwöchige Testphase, um sie zu Hause beim Training auszuprobieren. Da kommen zwei bis drei Monate zusammen.

Wo sind die Grenzen von Sportprothesen?
Sie liegen beim Sportler und seinem Willen. Wie bei jedem Athleten geht es um Talent und Training. Nimmt man etwa den Weitspringer Markus Rehm. Dass er als Parasportler weiter springt als seine Konkurrenz, liegt nicht am Material. Es gibt Vorschriften, welche Prothesen erlaubt sind. Er betreibt kein Technik-Doping, es ist seine Leistung, die ihn Weltrekorde brechen lässt. Es liegt nicht alles an der Prothese, sondern an dem Menschen, der drinsteckt.

Wie wichtig ist Erfahrung in Ihrem Beruf?
Erfahrung ist ein entscheidender Teil, Fachwissen der andere. Aber auch Geduld, Lösungsorientiertheit und Empathie braucht man. Für Amputierte sind Prothesen neu und sie können Probleme nicht richtig beschreiben. Am Ende sollte man eine Berufung für den Beruf haben. Mein Antrieb ist, wenn ich miterleben darf, wenn meine Kunden das schaffen, was sie sich vorgenommen haben.

Das Gespräch führte
Theresa Ricke

Published On: Mittwoch, 6. Dezember 2023